Angesichts des großen Interesses deutscher Unternehmen an diversifizierten Beschaffungs- und Absatzmärkten, diskutieren Tara Méité und Heiko Schwiderowski in diesem Blogartikel die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen eine erfolgreiche Zusammenarbeit gelingen kann.
Die deutsche Wirtschaft steht derzeit vor der großen Herausforderung, ihre Lieferketten neu auszurichten. Das „De-Coupling“ von Russland und „De-Risking“ von China führt dazu, dass Märkte verstärkt in den Blickpunkt geraten, die bisher eine eher marginale Rolle bei hiesigen Unternehmen gespielt haben.
Zukunft der Zusammenarbeit mit afrikanischen Märkten
Mit dem breiten Zukunftsfeld der sozialen ökologischen Transformation ist der bedeutendste Schwerpunkt gesetzt. Nicht zuletzt aus diesem Grund steht das kürzlich angestoßene Milliardenprojekt in Namibia, bei dem mit Unterstützung deutscher Unternehmen grüner Wasserstoff produziert werden soll, unter besonderer Beobachtung. Darüber hinaus wird mit deutscher Beteiligung in Angola an der Lieferung nachhaltiger Energieträger auf Wasserstoffbasis nach Deutschland und Europa ab dem Jahr 2024 gearbeitet. Ägypten und Marokko rücken wiederum wegen guter Produktionsbedingungen für grünen Wasserstoff und aufgrund resilienter Transportrouten nach Europa in den Fokus.
Fragen wir bei unseren afrikanischen Partnerinnen und Partnern nach, rückt eine Branche in den Vordergrund, die auf unserem Nachbarkontinent nach wie vor die mit Abstand größte Anzahl von Arbeitsplätzen stellt: die Landwirtschaft. Potentiale ergeben sich für deutsche Unternehmen nicht nur bei der Bereitstellung technischer Lösungen und der Lieferung von Maschinen für moderne Anbau- und Bewässerungsmethoden. Auch für die Verarbeitung von Lebensmitteln vor Ort sowie für den Import (verarbeiteter) landwirtschaftlicher Erzeugnisse verbessern sich die Aussichten stetig. Dazu tragen unter anderem Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit bei, wie zum Beispiel das Import Promotion Desk. Sei es mit Blick auf die Getreideproduktion, wie etwa Reis, Mais und Weizen oder im Bereich der Fischereiwirtschaft – spannende Entwicklungen wie diese verfolgen wir unter anderem in Südafrika, Nigeria, Äthiopien und Tansania.
Einen besonderen Schwerpunkt der afrikanisch-deutschen Zusammenarbeit sollte die Afrikanische Freihandelszone (AfCFTA) bilden. Diese wird nur dann ihr gesamtes Potenzial entfalten können, wenn nicht nur Zölle- und Zollbürokratie abgebaut werden. Vielmehr muss die Infrastruktur zwischen den afrikanischen Ländern ausgebaut werden, wobei sich hierbei auch für deutsche Unternehmen neue Chancen ergeben: Innerhalb der Europäischen Union (EU) ist Deutschland bereits der zweitgrößte Exporteur sowie der drittgrößte Importeur von Waren und Dienstleistungen in und aus der AfCFTA. Sollte diese vollständig auf multilateraler Ebene realisiert werden und ihre nicht-tarifären Barrieren gegenüber Drittstaaten aufheben, ergäbe sich laut optimistischer Szenarien ein Wachstum des deutschen Exportvolums von bis zu 30 Prozent.
Unterstützung durch die Bundesregierung
Nachdem die globalen Lieferbeziehungen durch die Corona-Pandemie empfindlich gestört wurden, kommen mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine sowie der Anhebung des Leitzinses der amerikanischen Notenbank und der Europäischen Zentralbank (EZB) erhebliche Herausforderungen auf die Weltwirtschaft zu. Deutsche Unternehmen teilen uns verstärkt mit, dass ihr internationales Geschäft derzeit von Unsicherheiten geprägt ist. Sie arbeiten deshalb an resilienteren Lieferketten sowie an diversifizierten Beschaffungs- und Absatzmärkten. Afrikanische Partnerländer spielen hierbei für Deutschland angesichts der aktuellen energiestrategischen Verschiebungen und geopolitischer Überlegungen eine zentrale Rolle, die nicht auf migrationsrelevante Themen beschränkt ist. Nicht zuletzt aufgrund unserer eigenen Rohstoffsicherheit und der gemeinsamen Klimaziele gilt es hier attraktive Kooperationsangebote zu intensivieren. Diese sollten auch die Bemühungen der afrikanischen Regierungen um mehr lokale Wertschöpfung und Arbeitsplätze für ihre junge Bevölkerung unterstützen.
Wir freuen uns deshalb, dass viele deutsche Ministerien eine Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern anstreben oder diese weiterentwickeln wollen. Zielführend wäre aus unserer Sicht, wenn all dies unter dem Dach einer Gesamt-Afrikastrategie der Bundesregierung geschehen würde. Die Schwerpunkte dieser Strategie sollten nicht nur unter Einbeziehung von Akteursgruppen in Deutschland ermittelt werden. Wichtig ist es, dass auch der immer wieder hervorgehobenen „Partnerorientierung“ Rechnung getragen wird. Wird dieser Ansatz konsequent umgesetzt, wird sich der Ausbau von Handel und Investitionen als Hauptschwerpunkt der afrikanisch-deutschen Beziehungen herauskristallisieren. Die verschiedenen Instrumente der deutschen Außenwirtschaftsförderung und der Entwicklungszusammenarbeit sollten konsequent hierauf ausgerichtet sein.
Ressortübergreifende Zusammenarbeit
Aus Sicht der deutschen Wirtschaft ist es ein positives Signal, dass sich viele Bundesministerien auf dem afrikanischen Kontinent engagieren. Neben der Außenwirtschaftsförderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und der Entwicklungszusammenarbeit des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) befassen sich auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) und das Auswärtige Amt (AA) mit Themen, die für die deutsche Wirtschaft ebenso relevant sind wie für eine nachhaltige Entwicklung der afrikanischen Länder.
Besonderes Augenmerk wird in diesem Zusammenhang auf die berufliche Bildung für die afrikanischen Märkte, auf den Themenkomplex der Fachkräftesicherung, auf die Modernisierung der afrikanischen Landwirtschaft sowie auf Energiepartnerschaften und Klimaschutzinitiativen gelegt. Allerdings halten wir eine starke ressortübergreifende Zusammenarbeit und Abstimmung angesichts aktueller Einsparungen vieler Bundesministerien für besonders wichtig, zumal keines dieser Themen isoliert voneinander vorangetrieben werden kann.
So können etwa die Energiepartnerschaften einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die Energieversorgung in den afrikanischen Ländern voranzubringen, aber auch Engpässe hierzulande abzumildern. Besondere Aufmerksamkeit verdient das Großprojekt in Namibia zur Produktion von grünem Wasserstoff. Die sozio-ökonomischen Auswirkungen für das geografisch große, angesichts von ca. 2,5 Millionen Einwohner*innenn eher kleine Land, sind enorm. Der Bedarf an ausgebildeten Fachkräften ist sehr groß. Für viele Beobachter stellt sich insbesondere bei diesem Projekt die Frage, ob es gelingt, aus der von der Bundesregierung angestrebten ökologischen Transformation einen Gewinn für alle Beteiligten generieren. Für eine abschließende Bewertung ist es noch zu früh.
Erfolgreiche Zusammenarbeit mit afrikanischen Partnern
Damit eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit afrikanischen Partnern gelingen kann, müssen wir in der Lage sein, einen kontinuierlichen, engen Austausch der relevanten politischen und wirtschaftlichen Akteure zu ermöglichen. Dieser sollte unter anderem durch hochrangige Gipfeltreffen und Staatsbesuche unter Einbeziehung von Wirtschaftsdelegationen ermöglicht werden, die sowohl kleine und mittelständische als auch große Unternehmen umfassen.
Damit anschließend langfristiges wirtschaftliches Engagement entstehen kann, müssen darüber hinaus die Förderinstrumente der Bundesregierung auf die Bedürfnisse der deutschen Unternehmen mit Interesse an einer Exportfinanzierung – auch im Bereich der „Small Tickets“ – oder an Investitionen vor Ort angepasst sein und mehr Flexibilität bieten. Bessere Bedingungen hinsichtlich des Selbstbehalts im Schadensfall sowie risikomitigierende Instrumente müssen für deutsche Unternehmen insbesondere angesichts der wettbewerbsverzerrenden Wirkung anderer Technologieanbieter attraktivere Anreize bieten.
Angesichts des großen Interesses deutscher Unternehmen an diversifizierten Beschaffungs- und Absatzmärkten stellen die richtigen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine wichtige Voraussetzung für mehr wirtschaftliches Engagement deutscher Unternehmen in afrikanischen Märkten dar.
Die Verantwortung für die in den Beiträgen und Interviews vorgetragenen Inhalte, Meinungen und Quellen liegt bei den jeweiligen Autor*innen.
Tara Méité ist seit 2022 Referatsleiterin Afrika bei der DIHK DEinternational, Holding des globalen Netzwerks von Vetriebsgesellschaften der Auslandshandelskammern. Heiko Schwiderowski verantwortet als Referatsleiter den Regionalbereich Subsahara-Afrika der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).
Der afrikanische Kontinent ist ein wesentlicher Partner für die politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen der Zukunft. Die Zusammenarbeit bietet Chancen in Bereichen wie Rohstoffe, grüne Energie und Fachkräfte. Die Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft Sabine Dall’Omo zeigt auf welche konkreten Angebote es jetzt braucht.
David Luke argues that the current trade policy framework between Africa and its partners is failing to deliver economic dynamism and growth. It is time for a major rethink of trade policy towards Africa.
Deutschland bedarf einer Revision seiner Wirtschaftskooperation mit den Ländern des afrikanischen Kontinents. Dabei gilt es, die große Transformation auf dem Kontinent besser zu verstehen und eine Strategie zu entwickeln, die zur Industrialisierung Afrikas beitragen kann. Entwickelt sich Afrika, ist das gut – auch für Deutschlands Wohlstand.