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Studierende des Ashesi University College in Accra (Ghana) befragen Bundeskanzler Scholz im Rahmen einer Townhall-Veranstaltung Ende Oktober 2023.

Studierende des Ashesi University College in Accra (Ghana) befragen Bundeskanzler Scholz im Rahmen einer Townhall-Veranstaltung Ende Oktober 2023.

Echte Partnerschaft: Was unsere Wirtschaftsbeziehungen mit Afrika zukunftsfähig macht.

Blog Joint Futures 21, 07.11.2023

Der afrikanische Kontinent ist ein wesentlicher Partner für die politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen der Zukunft. Die Zusammenarbeit bietet Chancen in Bereichen wie Rohstoffe, grüne Energie und Fachkräfte. Die Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft Sabine Dall’Omo zeigt auf welche konkreten Angebote es jetzt braucht.

 

Systemwettbewerb – in einer Zeit, in der diese Themen unsere politische und wirtschaftliche Agenda bestimmen, wird die Notwendigkeit einer tieferen Partnerschaft mit den Staaten des afrikanischen Kontinents immer offensichtlicher. In Anbetracht der wirtschaftlichen Dynamik und Innovationskraft, seiner wachsenden Bevölkerung – 2050 wird mehr als jeder vierte Mensch in Afrika leben – und seines Ressourcenreichtums ist der afrikanische Kontinent ein unverzichtbarer Partner in unserer unmittelbaren Nachbarschaft.

Viele der 54 afrikanischen Staaten haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. So gibt es ein signifikantes Arbeitskräftepotenzial mit einer ehrgeizigen, jungen Generation sowie hohe Wachstumsraten. Als Beispiele gelten etwa Ruanda, Côte d’Ivoire, DR Kongo, Botswana oder Äthiopien. Basis der deutschen Afrikapolitik ist jedoch oftmals noch ein undifferenziertes und überholtes Afrikabild: Besonders in der medialen Berichterstattung liegt der Fokus auf den Krisen und Konflikten, wie zuletzt etwa in Niger und Burkina Faso. Das spiegelt sich in den Formen der Zusammenarbeit mit Afrika wider, mit einem Fokus auf Krisenintervention und Entwicklungszusammenarbeit. Wirtschaftspartnerschaft tritt in den Hintergrund. Wir sollten unser Afrikabild überdenken und die unterschiedlichen, sehr komplexen Realitäten auf dem Kontinent als Grundlage der deutschen Afrikapolitik nehmen.

Wenn wir unsere Interessen im globalen Wettbewerb wirkungsvoll verfolgen, Fachkräfte anziehen oder unsere Märkte diversifizieren wollen, brauchen wir neue Partner und können diese auf dem afrikanischen Kontinent finden. Ein größeres Investment wird nicht zuletzt von afrikanischer Seite erwartet.

Potenziale der Zusammenarbeit gibt es reichlich

Von zentraler Bedeutung für den afrikanischen Kontinent sind bessere wirtschaftliche Perspektiven durch Wachstum, Schaffung von Arbeitsplätzen, Industrialisierung, Diversifizierung der Volkswirtschaften und eine stabile Energieversorgung. Zudem ist der Aufbau leistungsfähiger Gesundheitssysteme und die Qualifizierung von Fachkräften von großer Bedeutung. Besonders attraktiv sind hierzu Investitionsmöglichkeiten in Feldern wie Industrie, Energie und Bildung, welche mittelfristig zum wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen beitragen können. Angesichts dieser Chancen können deutsche Unternehmen erheblich mehr beitragen als bisher.

Ein weiteres Handlungsfeld könnte die verstärkte Zusammenarbeit im Bereich kritischer Rohstoffe uns Seltener Erden sein. Neben China und Russland hat der afrikanische Kontinent die größten Rohstoffreserven der Welt. Um die Energiewende in Deutschland, Europa und Afrika erfolgreich umzusetzen, sind wir auf die Rohstoffe des afrikanischen Kontinents angewiesen. Bisher werden diese oftmals nur abgebaut – leider unter teils menschenunwürdigen Bedingungen – und eine Weiterverarbeitung findet nur sehr selten vor Ort statt. Um von einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung des Rohstoffsektors stärker profitieren zu können, müssen zumindest erste Schritte der Wertschöpfungskette angesiedelt werden. Erste Ansätze sind beispielsweise das Verbot des Exports von unverarbeitetem Lithium aus Simbabwe oder die Absichtserklärung Sambias und der DR Kongo, gemeinsame Lieferketten für eigene Batterieproduktionen aufzubauen. So sollen das eigene Wirtschaftswachstum angekurbelt, Arbeitsplätze geschaffen und die Arbeitsbedingungen und -sicherheit verbessert werden.

Afrika verfügt zudem über reichlich Sonnen-, Wind- und Wasserkraftressourcen. Diese würden ausreichen, um den Energiebedarf des Kontinents zu decken und darüber hinaus Europa zu versorgen. Deutsche Unternehmen können als Partner fungieren, indem sie ihr Fachwissen und ihre Technologien und Anlagen einbringen.

Auch das Thema Fachkräfte sollte eine wichtige Rolle in der Zusammenarbeit mit Afrika spielen, denn es stellt sowohl in Deutschland als auch für Aktivitäten in afrikanischen Märkten eine echte Herausforderung dar. Die junge afrikanische Bevölkerung bietet immenses Potenzial, um den lokalen Arbeitskräftebedarf deutscher Firmen zu decken. Dazu müssten aber die Möglichkeiten zur Absolvierung einer Berufs- oder Hochschulausbildung von Afrikaner*innen in Deutschland ausgeweitet und flexiblere Ein- und Ausreisegelungen für afrikanische Fachkräfte umgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund hat der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft jüngst ein Positionspapier mit derartigen Vorschlägen und Ideen veröffentlicht.

Was erwarten die Unternehmen von der Bundesregierung?

Bundeskanzler Olaf Scholz hat in seiner Amtszeit bereits vier Afrika-Reisen zusammen mit deutschen Wirtschaftsdelegationen absolviert. Diese Form der Wirtschaftsdiplomatie hilft deutschen Firmen, und sie sendet nach innen und außen wertvolle Signale. Noch wichtiger wäre es jedoch, diese politischen Bemühungen auch auf ministerialer Ebene stärker zu flankieren. Wirtschaftsdiplomatie und politische Flankierung sind zentral, um Unternehmensprojekte in afrikanischen Ländern besser zu unterstützen. Dabei sollten zukünftig die vor Ort ansässigen Unternehmen besser eingebunden werden.

Für ein größeres unternehmerisches Engagement in Afrika ist außerdem der Zugang zu Kapital und Garantieinstrumenten zur Risikoabsicherung unverzichtbar. Staatliche Instrumente wie unter anderem Exportkreditgarantien („Hermesdeckungen“) gibt es hierfür bereits. Diese führen in der empirischen Betrachtung zu Beschäftigungseffekten und werden von privatwirtschaftlicher Seite nachgefragt. Um international konkurrenzfähig zu bleiben, müssen jedoch die Konditionen für Exportkreditgarantien nachjustiert werden. Als Maßstab sollten hierbei die günstigsten gewährten Konditionen anderer OECD-Staaten dienen.

Auch bei den staatlichen Investitionsgarantien gibt es Verbesserungsbedarf. Um Investitionen in afrikanischen Staaten zu fördern, schlagen wir vor, neben den aktuell abgesicherten politischen Risiken auch ausgewählte wirtschaftliche Risiken zu decken. Die jüngst vorgestellten Sektorleitlinien im Rahmen der klimapolitischen Strategie der Bundesregierung sind mit Blick auf erneuerbare Energieprojekte wesentliche Verbesserungen. Andere ebenfalls bedeutende Branchen bleiben jedoch bisher noch außen vor. Hier wünschen wir uns eine Ausweitung. Denn das Ziel einer Diversifizierung der Wirtschaft kann aus unserer Sicht nur dann wirklich erreicht werden, wenn Afrika über alle Sektoren hinweg eine stärkere Visibilität erreicht.

Auch wäre es sinnvoll, von Finanzierungsinstrumenten anderer europäischer Länder, die erfolgreich auf dem afrikanischen Kontinent sind, zu lernen. So hat beispielsweise das Wirtschaftsministerium mit dem Vorschlag für den sogenannten Wirtschaftsfonds Afrika ein Soft Loan-Programm der Oesterreichischen Kontrollbank AG (OeKB) aufgenommen und auf deutsche Verhältnisse angepasst. Mit dem Wirtschaftsfonds Afrika sollen förderungswürdige deutsche Exporte nach Afrika durch günstigere Kreditbedingungen und Zuschusselemente unterstützt werden. Bisher ist jedoch die finanzielle Ausgestaltung und Umsetzung noch nicht finalisiert.

Taten statt Ankündigungen

In seiner Rede bei der UN-Generaldebatte im September hat der Außenminister Togos, Robert Dussey, deutlich gemacht, was viele Afrikaner*innen leid sind: Die afrikanische Jugend sei des westlichen Paternalismus müde. Afrikanische Länder wollen keine Bevormundung. Sie wollen eine Partnerschaft. Und wir haben vieles im Angebot, um ein guter und verlässlicher Partner zu sein. Um zu zeigen, dass wir es ernst meinen, sollten wir uns stärker engagieren, statt zu moralisieren. Wir sollten unseren Ankündigungen Taten folgen lassen. Und wir sollten erkennen, dass der afrikanische Kontinent nicht nur wirtschaftlich von großer Bedeutung für Deutschland und Europa ist, sondern auch geopolitisch.

Die Verantwortung für die in den Beiträgen und Interviews vorgetragenen Inhalte, Meinungen und Quellen liegt bei den jeweiligen Autor*innen.

Sabine Dall’Omo ist seit April 2023 Vorsitzende des Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft. Sie ist seit mehr als dreißig Jahren bei der Siemens AG tätig und ist derzeit Chief Executive Officer (CEO) und Vorstandsmitglied von Siemens in Südafrika.