Im Vier Fragen-Interview mit Megatrends Afrika fordert Dr. Katja Leikert (CDU) ein klares Selbstverständnis von den strategische Interessen Deutschlands. Für eine zukunftsfähige Afrikapolitik sollten wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungszusammenarbeit enger verzahnt werden.
Megatrends Afrika: Welche aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen machen es nötig, dass Deutschland seine Afrikapolitik neu ausrichtet?
Dr. Katja Leikert: Afrikas Staaten werden zu Recht immer selbstbewusster und fordern mehr Respekt und größere Mitbestimmungsrechte auf globaler Ebene ein. In Europa reden wir uns seit Jahren ein, wir würden diese Forderungen ernst nehmen. Doch das tun wir nur sehr bedingt. In vielen Bereichen sind wir noch immer zu paternalistisch und beharren auf unseren Privilegien. Das schadet unserer Glaubwürdigkeit und unseren Beziehungen. Mit einem immer stärker aufstrebenden afrikanischen Kontinent – dessen zukünftige Entwicklung starke Auswirkungen auch auf Europa haben wird – können wir uns das nicht länger erlauben.
Eine akute Herausforderung ist die Zukunft unseres Engagements im Sahel. Die dramatischen Entwicklungen der letzten Monate zeigen deutlich, dass es für uns dort so nicht weitergeht. Ein vollständiger Rückzug aus der Region ist jedoch keine Lösung. Das Risiko ist zu groß, dass die Instabilität des Sahel auch auf die Küstenstaaten Westafrikas übergreift. Wir sollten aktiv bleiben, aber brauchen dafür endlich eine vernünftige Strategie.
MTA: Wie sollte die deutsche Afrikapolitik neugestaltet werden, um die Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten zu verbessern und die nachhaltige Entwicklung in Afrika zu fördern?
KL: Unser starkes Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit hat viel Gutes erreicht, aber wir müssen stärker darüber hinausdenken. Es reicht nicht aus, wenn unsere Bundesregierung die enormen wirtschaftlichen Chancen des afrikanischen Kontinents nur anerkennt. Sie muss aktiver deutsche Firmen mit ins Boot zu holen, um diese Chancen auch zu nutzen.
Privatwirtschaftliches Engagement ist für eine rasche und zugleich nachhaltige Entwicklung unabdingbar. Nur so können zeitnah komplexere Wertschöpfungsketten in den jeweiligen afrikanischen Staaten realisiert werden.
Ein erster Schritt hierbei wäre es, unsere Entwicklungszusammenarbeit enger mit Maßnahmen der Außenwirtschaftsförderung zu verzahnen. Wir sollten für deutsche Unternehmen, die in Afrika aktiv werden wollen, eine zentrale Anlaufstelle einrichten, die den Zugang zu Informationen und Fördermitteln massiv erleichtert. Bisher ist dies gerade für kleine und mittelständische Unternehmen noch eine zu große Hürde.
MTA: Wie wollen Sie sicherstellen, dass die deutsche Afrikapolitik sowohl die eigenen Interessen als auch die Bedürfnisse und Prioritäten der afrikanischen Staaten und Gesellschaften berücksichtigt?
KL: Wir müssen uns unserer eigenen geostrategischen Interessen in diesem Kontext überhaupt bewusster werden und diese klarer definieren. Erst dann können wir unser entwicklungs- und wirtschaftspolitisches Engagement in Afrika auch strategischer denken. Die aktuelle Zerfaserung des deutschen, aber auch europäischen Engagements vor Ort führt zur Verschwendung von ungenutzten Potenzialen.
Gleichzeitig müssen wir verstärkt darauf achten, afrikanische Partner nicht zu bevormunden, sondern auch mit divergierenden Interessen konstruktiv umzugehen. Hier braucht es die Bereitschaft auf unserer Seite, maßgeschneiderte Kooperationskonzepte erarbeiten. Gerade bei Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung und des Klimaschutzes braucht es manchmal mehr Verständnis für die Position des Gegenübers.
Dabei ist es die Aufgabe beider Seiten, bei jeglichen Projekten auch auf die sozialen Auswirkungen zu achten. Wenn beispielsweise der Aufbau von grüner Wasserstoffproduktion in manchen afrikanischen Staaten zu Wasserverknappung und sozialer Verdrängung führen würde, muss dies in den Planungen frühzeitig und mit Nachdruck angesprochen werden.
MTA: Welche blinden Flecken nehmen Sie in der deutschen Afrikapolitik wahr, die Sie gerne stärker auf die politische Agenda setzen würden?
KL: Die französische Präsenz in Afrika nimmt ab. Das wird in Deutschland zwar wahrgenommen, was daraus für uns folgt, wird nicht entschlossen genug diskutiert. Hier braucht es zuerst eine umfassende Analyse, was die von Präsident Macron vor einigen Monaten angekündigte neue französische Strategie für uns wirklich bedeutet. Und dann gilt es ein klares Selbstverständnis davon zu entwickeln, wie wir uns vor dem Hintergrund dieser Änderungen in Afrika neu aufstellen können, wollen und müssen.
Ein weiterer blinder Fleck, wie oben bereits angeschnitten, ist die zu kurz greifende staatliche Unterstützung für deutsche Unternehmen, die in Afrika aktiv werden wollen. Das Potenzial ist in vielen afrikanischen Märkten riesig. Auch Interesse ist in der deutschen Wirtschaft vielerorts gegeben. Die bisher verfügbaren Instrumente der Außenwirtschaftsförderung sind jedoch an vielen Stellen nicht ausreichend. Hier sollte die Bundesregierung dringend nachbessern.
Dr. Katja Leikert (CDU) ist Mitglied des Deutschen Bundestages. Sie ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und dort für die CDU/CSU Bundestagsfraktion Berichterstatterin zu Grundsatzfragen der deutschen Afrikapolitik. Dieses schriftliche Interview wurde im September 2023 geführt und ist Teil unserer Mini-Serie „Vier Fragen“, in denen wir Abgeordnete nach ihren Prioritäten für die neuen Afrikapolitischen Leitlinien fragen.
Im Vier Fragen-Interview fordert Agnieszka Brugger (Bündnis 90/ Die Grünen), dass mit den Afrikapolitischen Leitlinien Akzente für ein grundlegend neues Verständnis von Partnerschaftlichkeit gesetzt werden: Wertschätzung, Ehrlichkeit und Fairness sollten Leitwerte sein.
Im Vier Fragen-Interview skizziert Dr. Christoph Hoffmann (FDP) Erwartungen an eine strategische Erneuerung des deutschen Engagements auf dem afrikanischen Kontinent. Besonders wichtig seien ein ehrlicher Dialog mit den afrikanischen Partnern und Investitionen in Infrastrukturen.
Im Vier-Fragen-Interview mit Megatrends Afrika unterstreicht Dr. Karamba Diaby (SPD) die Notwendigkeit sich den afrikanischen Partnern stärker zuzuwenden und ihnen aktiv zuzuhören. Er mahnt, die Interessen der 54 Staaten differenziert zu betrachten und nicht mehr von dem „einen Afrika“ zu sprechen.