Der Mattei-Plan der Regierung Meloni soll Italiens Rolle in Afrika stärken. Doch bis jetzt wurden nur bestehende Projekte mit neuem Stempel versehen. Zusätzliche finanzielle Mittel sind nicht in Sicht. In diesem Megatrends Afrika Spotlight empfiehlt Arturo Varvelli (ECFR), den Plan mit der Global Gateway Initiative zu verknüpfen, um europäische Ressourcen effektiver zu nutzen.
Benannt nach Enrico Mattei, dem einflussreichen Gründer des Kohlenwasserstoffriesen Eni, erlebt der Mattei-Plan unter der Regierung von Giorgia Meloni eine Renaissance in Italiens außenpolitischer Debatte, insbesondere im Hinblick auf das Engagement in Afrika. Dieser Ansatz spiegelt einen strategischen Versuch wider, Italiens Präsenz und Einfluss auf dem Kontinent neu zu gestalten.
Matteis Initiative nach dem Zweiten Weltkrieg zielte in erster Linie darauf ab, die Energieressourcen für Italien durch einen partnerschaftlichen Ansatz mit den afrikanischen Ländern zu sichern. Ihm schwebte eine umfassendere Zusammenarbeit vor als die reine Ausbeutung von Kohlenwasserstoffen, und er bot den afrikanischen Ländern bessere Bedingungen als andere westliche Ölgesellschaften. Der Ansatz sicherte Italien nicht nur die Energielieferungen, sondern ermöglichte es dem Land auch, sich in den Augen mehrerer MENA- und afrikanischer Staaten (z. B. Iran und Algerien in den 1950er Jahren) als privilegierter Partner zu positionieren. Dies machte Italien für den Entkolonialisierungsprozess empfänglicher und sicherte eine größere politische Unterstützung durch die neuen Regierungen.
In Anbetracht der gegenwärtig komplexen und sich wandelnden geopolitischen Landschaft greift Italien diese Strategie erneut auf. Die Revitalisierung des Mattei-Plans zielt darauf ab, eine Reihe aktueller Themen zu adressieren, darunter Energiesicherheit, wirtschaftliche Entwicklung, der wachsende Einfluss anderer globaler Mächte in Afrika, insbesondere Chinas und Russlands, sowie die mittel- bis langfristige Bewältigung von Migrationsströmen. Die erneute Fokussierung Italiens auf den afrikanischen Kontinent im Rahmen dieses Plans basiert auf einem vielschichtigen Ansatz, der verschiedene Elemente umfasst, darunter wirtschaftliche Investitionen, Energiekooperation, Infrastrukturentwicklung und diplomatisches Engagement.
Die strategischen Interessen Italiens in Afrika werden von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt. Erstens stellen die umfangreichen Energieressourcen des Kontinents für Italien, das über keine nennenswerten Rohstoffvorkommen verfügt, nach wie vor eine wesentliche Komponente seiner Strategie der Energiesicherheit dar. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Herausforderungen auf dem globalen Energiemarkt erlangt die Gewährleistung einer stabilen und diversifizierten Energieversorgung für Italien eine entscheidende Bedeutung. Der Mattei-Plan zielt darauf ab, Energiepartnerschaften mit afrikanischen Ländern neu zu beleben und auszubauen, um sicherzustellen, dass Italien die reichen Öl- und Erdgasvorkommen sowie die erneuerbaren Energiequellen des Kontinents nutzen kann. Dies soll durch das Einbringen des italienischen Fachwissens sowie einer anderen Sichtweise gewährleistet werden. Rom strebt danach, sich im Vergleich zu anderen Mächten als politisch neutraler und weniger invasiver Akteur zu definieren. Dies impliziert, dass das Land wenig Ambitionen hat, sich in interne Angelegenheiten einzumischen, und den lokalen Gemeinschaften größeren Respekt entgegenbringt. Damit soll an die weniger räuberische Haltung der Vergangenheit angeknüpft werden.
Zweitens befasst sich der Plan mit der wirtschaftlichen Entwicklung und Investitionen. Durch die Förderung wirtschaftlicher Beziehungen zu afrikanischen Ländern strebt Italien die Schaffung vorteilhafter Möglichkeiten für beide Seiten an, die das Wachstum fördern und allen Beteiligten zugutekommen können. Dazu gehören Investitionen in Infrastrukturprojekte, Technologietransfer und Handelsförderung. Ein solches wirtschaftliches Engagement soll die Entwicklung in den afrikanischen Ländern fördern und gleichzeitig neue Märkte für italienische Unternehmen erschließen.
Aus einer globaleren Perspektive stellt die wachsende Präsenz Chinas und Russlands in Afrika eine Herausforderung für Italien und das breitere westliche Bündnis dar. Chinas Belt and Road Initiative (BRI) und Russlands strategisches Engagement haben ihren Einfluss auf dem Kontinent deutlich erhöht. Der Mattei-Plan ist daher auch eine strategische Antwort auf diesen geopolitischen Wettbewerb. Italien strebt danach, ein alternatives Modell des Engagements anzubieten, das auf Partnerschaft, gegenseitigem Nutzen und Achtung der Souveränität beruht. Dies steht im Kontrast zu den von europäischen Initiativen oft auferlegten Konditionalitäten, aber auch zu den scheinbar neutralen, aber oft politisch herausfordernden Abkommen, die von China und Russland initiiert wurden. Des Weiteren wird angedeutet, dass dieser Plan darauf abzielt, die abnehmende Rolle Frankreichs in Afrika in den vergangenen Jahren auszugleichen. In diesen Jahren war Paris mit einem antikolonialen Aufschwung konfrontiert, der es zur Hauptzielscheibe machte.
Bei der Umsetzung des Mattei-Plans steht Italien vor mehreren Herausforderungen. Die größte Herausforderung sind zweifellos die finanziellen Kosten des Plans. Im vergangenen Januar verkündete Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, dass der Plan über eine anfängliche Ausstattung von mehr als 5,5 Milliarden Euro in Form von Krediten, Zuschüssen und Garantien verfügen wird. Etwa 3 Milliarden davon werden aus dem italienischen Klimafonds und etwa zweieinhalb Milliarden aus Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit stammen.
Die einzige konkrete Maßnahme, die die Regierung Meloni in Bezug auf den Mattei-Plan bisher ergriffen hat, war das Gesetzesdekret, das dem Parlament im November 2023 vorgelegt und am 10. Januar dieses Jahres in ein Gesetz umgewandelt wurde. Das Dekret besteht aus 11 Artikeln, enthält jedoch weder die Projekte, die im Rahmen des Plans finanziert werden sollen, noch die Mittel, die dafür verwendet werden sollen. Die Maßnahme definiert lediglich die Bereiche der Zusammenarbeit zwischen Italien und den afrikanischen Ländern und beauftragt die Regierung mit der Verabschiedung eines vierjährigen, erneuerbaren Plans durch ein Dekret des Premierministers. Für die Festlegung und Umsetzung des Mattei-Plans ist ein Lenkungsausschuss zuständig, dem der Ministerpräsident und mehrere Minister angehören.
In der Einleitung zur Abschlusspressekonferenz des Italien-Afrika-Gipfels im vergangenen Winter machte Meloni deutlich, dass es bereits eine Reihe von „Pilotländern” für die ersten „konkreten Projekte und Initiativen” gibt, die sich auf die fünf Säulen Gesundheit, Bildung, Landwirtschaft, Wasserressourcen und den „natürlichen Nexus” zwischen Klima und Energieerzeugung beziehen. Meloni nannte als Beispiele ein universitäres „Exzellenzzentrum” in Marokko, die Entwicklung von Gesundheitsdiensten in Côte d'Ivoire, die Satellitenüberwachung von landwirtschaftlichen Anbauflächen in Algerien, ein „Agribusiness”-Zentrum für den Exportsektor in Mosambik, den Bau von Brunnen und Wassernetzen in der Demokratischen Republik Kongo und die Umweltsanierung in Äthiopien.
In Bezug auf den Energiebereich, das heikelste Kapitel des Plans, erinnerte Meloni an das bereits bestehende ELMED-Stromleitungsprojekt zwischen Italien und Tunesien und kündigte eine Initiative zur Entwicklung von Biokraftstoffen in Kenia an, an der "400.000 Landwirte bis 2027" beteiligt sein sollen. Die Regierung möchte Italien als "Drehscheibe" für die Energieversorgung der EU etablieren, um den Schock des russischen Lieferstopps auszugleichen. Alle diese Projekte waren bereits von der italienischen Regierung oder von Unternehmen mit staatlicher Beteiligung geplant und wurden nun in den Korb des Mattei-Plans aufgenommen.
Der Mattei-Plan muss die Lücke zwischen den ehrgeizigen Zielen und der Realität bzw. Machbarkeit schließen. Die Finanzierung des Plans ist nach wie vor von grundlegender Bedeutung. Der zugewiesene Betrag mag zwar im Rahmen der Finanzen des italienischen Staates erheblich sein, doch er reicht bei Weitem nicht aus, um auf einem so großen Kontinent wie Afrika große Auswirkungen zu haben. Ein Schlüsselelement für den Erfolg des Mattei-Plans wäre dessen Integration in die Global Gateway-Initiative der Europäischen Union. Die von der Europäischen Kommission im Dezember 2021 ins Leben gerufene Global Gateway-Initiative zielt darauf ab, die globale Konnektivität zu verbessern. Dafür investiert sie in Infrastruktur-, digitale und soziale Entwicklungsprojekte auf der ganzen Welt, wobei etwa 150 Milliarden Euro für Afrika vorgesehen sind, das zu Recht als Schwerpunktregion betrachtet wird. Durch die Abstimmung des Mattei-Plans mit dem Global Gateway der EU könnte Italien die Ressourcen und Einrichtungen der EU nutzen, um seine Wirkung in Afrika zu verstärken.
Die Integration in die Global-Gateway-Initiative kann für Italien mehrere Vorteile bieten. Einerseits kann dadurch auf einen größeren Pool an finanziellen und technischen Ressourcen zurückgegriffen werden. Andererseits übersteigt die kollektive Investitionskapazität der EU die eines einzelnen Mitgliedstaates (in diesem Fall 150 Mrd. gegenüber 5,5 Mrd.) und ermöglicht dadurch ehrgeizigere und umfangreichere Projekte in Afrika. Die Koordinierung mit der EU ermöglicht es Italien, sicherzustellen, dass seine Initiativen im Rahmen des Mattei-Plans angemessen finanziert und unterstützt werden.
Zweitens stimmt der Fokus der Global Gateway Initiative auf nachhaltige und inklusive Entwicklung gut mit den Prinzipien von Piano Mattei überein. Beide Initiativen legen den Schwerpunkt auf Partnerschaften, die eine langfristige Entwicklung fördern und lokalen Gemeinschaften zugutekommen. Indem Italien den Mattei-Plan in den Rahmen des Global Gateway einbindet, kann es sicherstellen, dass seine Bemühungen mit den umfassenderen Zielen und Standards der EU übereinstimmen. Darüber hinaus kann die Integration in das Global Gateway die Glaubwürdigkeit und Attraktivität des Mattei-Plans erhöhen. Als Teil einer koordinierten EU-Strategie ist es wahrscheinlicher, dass Italiens Initiativen als Teil einer umfassenden und kohärenten Anstrengung und nicht als isolierte nationale Interessen wahrgenommen werden. Dies kann dazu beitragen, etwaige Bedenken oder Verdächtigungen seitens der afrikanischen Partner hinsichtlich der Motive und Absichten hinter Italiens erneutem Engagement zu entkräften. Die etablierten Netzwerke und diplomatischen Kanäle der EU in Afrika bieten Italien zudem eine wertvolle Plattform, um seine Ziele voranzutreiben.
Bei der Arbeit im Rahmen der EU kann Italien von den bestehenden Beziehungen und Kooperationsabkommen profitieren, die die EU mit afrikanischen Staaten und regionalen Organisationen entwickelt hat. Dies kann eine reibungslosere und effizientere Umsetzung von Projekten und Initiativen im Rahmen des Mattei-Plans erleichtern. Italien sollte auch das Fachwissen und die Erfahrung von EU-Entwicklungsagenturen und Finanzinstitutionen wie der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) nutzen. Diese Institutionen können wertvolle Unterstützung bei der Planung, Finanzierung und Umsetzung von Projekten leisten und so die Gesamtwirkung und Nachhaltigkeit des Mattei-Plans verbessern. Darüber hinaus sollte Italien mit afrikanischen Akteuren, einschließlich Regierungen, Unternehmen des Privatsektors und Organisationen der Zivilgesellschaft, zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass der Plan ihren Bedürfnissen und Prioritäten entspricht. Der Aufbau starker Partnerschaften und die Förderung der lokalen Eigenverantwortung für die Projekte werden für ihren langfristigen Erfolg und ihre Nachhaltigkeit von entscheidender Bedeutung sein. Der Mattei-Plan sollte nicht als einseitige Initiative verstanden werden, sondern auf der Grundlage einer bilateralen Erfassung der Bedürfnisse und Ziele der afrikanischen Partner konzipiert werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wiederbelebung des Mattei-Plans ein strategischer und zeitgemäßer Versuch Italiens ist, sein Engagement in Afrika zu verstärken. Es besteht jedoch die Gefahr, dass er zu einem reinen Marketinggag wird, zu einem Re-Branding bereits laufender Initiativen oder zu einer Vorzeigeinitiative, die den europäischen Konkurrenten den Wind aus den Segeln nimmt. Der Mattei-Plan konzentriert sich auf Energiekooperation, wirtschaftliche Entwicklung, Migration und geopolitischen Wettbewerb und spricht damit einige der dringendsten Probleme an, mit denen Italien und die Region insgesamt konfrontiert sind. Die Integration des Mattei-Plans in das Global Gateway der EU kann seine Wirkung verstärken, indem EU-Ressourcen, -Netzwerke und -Strukturen genutzt werden, um einen kohärenteren und effektiveren Ansatz für Afrika zu schaffen. Diese Integration kommt nicht nur Italien zugute, sondern kann auch zu den umfassenderen Zielen der EU beitragen, nachhaltige Entwicklung, Stabilität und Wohlstand in Afrika zu fördern.
Arturo Varvelli ist Senior Policy Fellow des European Council on Foreign Relations (ECFR) und Leiter des ECFR-Büros in Rom.
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