In Ägypten sind die Vorbereitungen für die diesjährige Weltklimakonferenz in vollem Gange. Welche Rolle der ägyptische Auslandsgeheimdienst bei deren Durchführung spielt und was das für das autoritäre Regime unter Präsident Abdel Fatah al-Sisi bedeutet, erklärt Stephan Roll (SWP) in diesem Megatrends Afrika Spotlight.
Zwischen dem 6. und dem 18. November wird im ägyptischen Badeort Sharm El-Sheikh die 27. Weltklimakonferenz (COP27) abgehalten. Bis zu 30.000 Teilnehmer*innen aus aller Welt, darunter über 90 Staatschef*innen, werden um Lösungen zur Bewältigung der globalen Klimakrise ringen.
Für Ägyptens autoritäre Staatsführung unter Präsident Abdel Fatah al-Sisi ist die COP27 vor allem eine Chance, sich als unverzichtbarer Partner bei der Bewältigung globaler Probleme zu präsentieren. Angesichts der Wirtschaftskrise des Landes versucht sie, das Thema Klimafinanzierung, das auch von vielen anderen afrikanischen Staaten als Priorität gesehen wird, ganz oben auf die Agenda zu setzen
Ungeachtet dessen dürfte ein Akteur innerhalb des Herrschaftssystems besonders von dem Mega-Event profitieren: Der ägyptische Auslandsgeheimdienst, der General Intelligence Service (GIS).
Offiziell spielt der GIS bei der Klimakonferenz überhaupt keine Rolle. Die Organisation auf ägyptischer Seite obliegt einem eigens dafür gegründeten Komitee unter Leitung von Ministerpräsident Mostafa Madbouly. Auf internationaler Bühne treten neben dem ägyptischen Außenminister, der die Präsidentschaft der Konferenz innehat, vor allem der zum „Climate Champion“ ernannte IWF-Exekutivdirektor Mahmoud Mohieldin und Ägyptens Sonderbeauftragter für die COP27, Botschafter Wael Aboulmagd, in Erscheinung.
Hinter den Kulissen zieht allerdings der GIS die Strippen. Das legen nicht nur Berichte verschiedener Nichtregierungsorganisationen nahe, die sich über erhebliche Schikanen beklagen. Regierungskritische Stimmen würden gezielt von der Konferenz ausgeschlossen. Dem GIS dürfte hierbei eine besondere Bedeutung zukommen. Der Dienst verfügt über ausgeprägte technische Fähigkeiten, die nicht nur zur Überwachung der ägyptischen Diaspora, sondern auch gegenüber der Zivilgesellschaft innerhalb des Landes zur Anwendung kommen. Vor allem aber lässt der Veranstaltungsort, das Sharm El-Sheikh International Convention Center (SHICC), diesen Schluss zu. Denn offenbar gehört der Konferenzkomplex niemandem geringeren als dem GIS.
Veröffentlichungen von Bauunternehmen geben Einblicke in die Entwicklung der Eigentumsverhältnisse des SHICC. Erbaut wurde das Konferenzzentrum 2006 von der Naama Golf & Touristic Investment Company, die seinerzeit zu den Besitztümern des bekannten ägyptischen Großunternehmers Hussein Salem zählte. Im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen gegen Salem, einem engen Freund des ehemaligen Präsidenten Husni Mubarak, wurde das Unternehmen 2016 verstaatlicht. Übereignet wurde das Konferenzzentrum allerdings nicht der zuständigen ägyptischen Messe- und Veranstaltungsbehörde. Vielmehr trat 2017 der GIS als Eigentümer in Erscheinung und gab umfangreiche Erweiterungsarbeiten der Anlage in Auftrag.
Das SHICC wurde so zu einem der größten Konferenzzentren des Nahen Ostens ausgebaut. Betrieben wird es seitdem von einem undurchsichtigen Event-Unternehmen, Global Conference Management (GCM), das auch die Logistik für die Weltklimakonferenz organisiert – und dem Auslandsgeheimdienst erhebliche Einnahmen bescheren könnte. Dabei geht es womöglich nicht nur um die Bereitstellung der Konferenzgebäude. Während sich Teilnehmer*innen über exorbitante Unterkunftspreise beschweren, müssen Hotels in Sharm El-Sheikh offenbar einen erheblichen Teil ihrer Gewinne an den Veranstalter der Klimakonferenz abführen.
Neben der Konferenzlogistik ist der Auslandsgeheimdienst auch maßgeblich in die mediale Begleitung der Konferenz involviert. In den vergangenen Jahren hat der GIS sukzessive die Kontrolle über verschiedene private Medienunternehmen des Landes übernommen und diese unter dem Dach einer Holdinggesellschaft, der United Media Services (UMS) zusammengeführt. Zur UMS gehören populäre Satellitensender wie CBC und ON sowie auflagenstarke Printmedien wie die Tageszeitung Al Youm Al Sabea (Youm7). Hierüber nimmt der Auslandsgeheimdienst maßgeblich Einfluss auf die inländische Berichterstattung, auch im Kontext der Klimakonferenz. So werden etwa Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch als Sprachrohr von Terrorist*innen verunglimpft.
Die Klimakonferenz bietet für den Geheimdienst aber auch eine willkommene Gelegenheit, seine Medienaktivitäten weiter auszubauen. Mit finanzieller Unterstützung aus Saudi-Arabien soll im Nachrichtensegment expandiert werden. Und das nicht nur lokal. Ziel ist es, mit einem eigenen Nachrichtenkanal, ähnlich den beiden großen arabischen Nachrichtensendern al-Jazeera und al-Arabiya, auch in der regionalen, wenn nicht gar internationalen Medienlandschaft präsent zu sein. Regierungspositionen könnten so auch außerhalb Ägyptens verbreitet und internationaler Kritik, etwa an der katastrophalen Menschenrechtslage des Landes, entgegengewirkt werden. Pünktlich zur COP27 soll hierzu mit „Al-Qahera News“ ein neuer Nachrichtensender starten. Offenbar soll die internationale Aufmerksamkeit für die Klimakonferenz genutzt werden, um das neue Programm möglichst schnell zu etablieren.
Dass ausgerechnet der ägyptische Auslandsgeheimdienst von der Weltklimakonferenz profitieren könnte, zeigt nicht nur, wie autoritäre Regime internationale Großevents für ihre Zwecke zu nutzen wissen. Es offenbart auch Verschiebungen innerhalb des ägyptischen Herrschaftssystems.
Zu Beginn seiner Präsidentschaft hatte Sisi offenbar ein schwieriges Verhältnis zum GIS. Als ehemaliger Chef des Militärgeheimdienstes lag seine Machtbasis ausschließlich bei den Streitkräften. Mit der Ernennung seines damaligen Büroleiters Abbas Kamel zum Geheimdienstchef in 2018 wurde der GIS indes erkennbar machtpolitisch aufgewertet. Kamel gilt als engster Vertrauter des Präsidenten und wird in Medienberichten auch als dessen „Schatten“ bezeichnet. Auch Sisis ältester Sohn, Mahmoud al-Sisi, scheint in kürzester Zeit in der Behörde Karriere gemacht zu haben.
In Folge dieser personellen Veränderung übertrug der Präsident dem GIS immer mehr Aufgaben im Zusammenhang mit der Festigung seiner Herrschaft – nicht zuletzt wohl auch, um unabhängiger von der Militärführung zu werden. Bereits 2019 war der Dienst maßgeblich an der Vorbereitung des Verfassungsreferendums beteiligt, das Sisi eine Amtszeitverlängerung ermöglichte. Seit Frühjahr dieses Jahres ist er in die Organisation des „Nationalen Dialogs“ involviert, durch den Kritiker*innen zufolge Folge politische Partizipation simuliert wird, ohne tatsächliche Reformen zu implementieren. Zudem erhielt der Dienst per Parlamentsbeschluss weitgehende Befugnisse zur Gründung eigener Wirtschaftsunternehmen, ein Privileg, das innerhalb des Staatsapparates bislang in dieser Form dem Militär vorbehalten war. Seine Aktivitäten im Kontext der COP27 sind nun ein weiteres Indiz dafür, dass der GIS sukzessive zum zentralen Machtinstrument des Präsidenten ausgebaut wird.
Dr. Stephan Roll leitet die Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).
Auslandsverschuldung und Herrschaftssicherung in Ägypten
doi:10.18449/2022S10v02
Die EU hatte sich für den Gipfel mit der Afrikanischen Union im Februar 2022 viel vorgenommen. Doch außer einem neuen Investitionspaket gab es wenig Ergebnisse. Die Beziehungen sind angespannt, weil die afrikanischen Staaten ihre Interessen in der Partnerschaft nicht angemessen vertreten sehen.