Seit Jahrzehnten steht der Franc CFA in westafrikanischen Staaten als „neokoloniale“ Währung in der Kritik. Viele fordern eine Währungsreform. Was monetäre Souveränität bedeutet und wie sie in den Franc CFA-Staaten debattiert wird, erläutert Robin Frisch (Universität Bayreuth) in diesem Megatrends Afrika Spotlight.
„France, dégage!“ (Frankreich, verschwinde!) – mit diesem Slogan gehen Aktivist*innen seit Dezember 2021 auf die Straßen Dakars. Der sozialen Bewegung ist der Franc Communauté Financière Africaine (kurz: CFA), der bereits während der französischen Kolonialherrschaft im Senegal eingeführt wurde, ein Dorn im Auge. Kémi Séba, ein Aktivist aus Benin, sorgte 2017 für Aufsehen, als er während eines Protests einen 5000 Franc CFA Schein verbrannte. Wenn Geld verbrannt wird, dann stimmt etwas nicht mit der Währung. Auch heute wird die Kritik am Franc CFA wieder lauter. Die Preise für Lebensmittel und Benzin steigen. Der politische Druck für eine Reform nimmt mit der steigenden Inflation zu.
Jedoch haben die Gründe für die hohe Inflation in Westafrika nur wenig mit der Währung an sich zu tun. Steigende Preise betreffen derzeit alle Länder weltweit. Die Kernfrage lautet vielmehr: wie viel Spielraum haben westafrikanische Länder, um auf die Inflation überhaupt reagieren zu können?
Über die wirtschaftspolitische Rolle des Franc-CFA wird unter afrikanischen Politiker*innen und Ökonomen kontrovers diskutiert. Die Kopplung an den Euro gewährleistet eine außergewöhnlich stabile Währung. Im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten ist die staatliche Verschuldung deutlich geringer.
Und doch schafft der Franc CFA auch Nachteile. Wirtschaftspolitisch behindert die Kopplung an den Euro die Industrialisierung und hemmt proaktive staatliche Investitionen. In der gegenwärtigen Krise, verschärft durch die Folgen von Covid-19 und Ukraine-Krieg, kommen weitere Probleme hinzu. Die gegenwärtige Euro-Dollar-Parität wirkt sich negativ auf die Schuldentilgung in der Franc-Zone aus. Hinzu kommt noch, dass der schwache Euro – und damit auch der schwache Franc CFA – zusätzlich Preiserhöhungen von Importgütern in Westafrika ankurbelt.
Der Franc CFA ist keine souveräne Währung. Eine selbstbestimmte Währungspolitik in einer von Frankreich unabhängigen Währungsunion könnte eine Basis für eine nachhaltige Wirtschafts- und Finanzpolitik sein. Ein Allheilmittel ist sie jedoch nicht.
In der aktuellen Gemengelage verschärfen sich damit bekannte Kritiken am Franc CFA, die eine dringende Reform und mehr monetäre Souveränität in Westafrika fordern. Dazu, wie dies aussehen könnte, gibt es unterschiedliche Ideen. Der senegalesische politische Ökonom Ndongo Samba Sylla etwa meint, dass Staaten eine vollständige Souveränität über ihre Währung anstreben müssen. Beeinflusst von Modern Monetary Theory (MMT), einer postkeynesianischen Denkrichtung, argumentiert er, dass Staaten durch eine souveräne Geldpolitik gezielter landwirtschaftliche Produktion und industrielle Sektoren fördern können, um Handelsdefizite auszugleichen.
So ließe sich eine Schuldenspirale mit Anleihen in ausländischen Devisen und privaten Gebern vermeiden. Dieser Ansatz zeigt jedoch auch, dass eine souveräne Währungspolitik Hand in Hand mit weiteren wirtschaftspolitischen Maßnahmen gehen muss. Eine neue Währung alleine werde wenig verändern.
Die Diskussion ist nicht neu. Schon vor der aktuellen Krise sollte die Franc-CFA-Zone reformiert werden. Im Dezember 2019 proklamierten der französische Präsident Emmanuel Macron und sein ivorischer Amtskollege Alassane Ouattara das Ende des Franc CFA. Acht Staaten der westafrikanischen Währungsunion (UEMOA) Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Guinea-Bissau, Mali, Niger, Senegal und Togo starteten einen Reformprozess. Sie kündigten an, den Franc CFA in Eco umzubenennen. Darüber hinaus sollten sich französische Mitglieder aus dem Aufsichtsgremium der UEMOA zurückziehen. Ferner müssten die westafrikanischen Staaten fortan nicht mehr die Hälfte ihrer Devisenreserven in der französischen Zentralbank hinterlegen.
Doch bevor die Währungsreform Fahrt aufnehmen konnte, geriet sie ins Stocken. Ob der Eco tatsächlich wie angekündigt im Jahr 2027 eingeführt wird, ist unklar. In den westafrikanischen Ländern mit eigenen Nationalwährungen wie in Ghana, Nigeria oder Liberia ist der politische Druck für eine Reform weitaus geringer als in den CFA-Staaten, wo die symbolpolitische Sprengkraft des Themas hoch ist. Alle Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) haben sich 2019 auf einen gemeinsamen Plan geeinigt, wann und wie die Reform umgesetzt wird. Allerdings gibt es wenig Konsens über institutionelle Fragen.
Hinzu kommt ein schwerwiegendes Problem. Die Einführung einer gemeinsamen westafrikanischen Währung setzt wirtschafts- und finanzpolitische Konvergenz voraus, die derzeit nicht in Reichweite zu sein scheint. Ob die Konvergenzkriterien, also Maßstäbe, wie hoch die Inflation oder das Schuldenniveau sein darf, auch wirtschaftspolitisch sinnvoll sind, bleibt offen. Die europäische Integration, bei der dieser Mechanismus auch angewendet wird, zeigt im Fall von Griechenland, wie ambivalent die Folgen einer Währungsunion sein können.
Die Schuldenniveaus von Ghana und Nigeria, aber auch vieler Franc-CFA-Staaten, überschreiten seit der Covid-19 Pandemie das festgelegte Konvergenzniveau von 70% der Staatsverschuldungsquote. Eine gemeinsame Währungsunion aller westafrikanischen Staaten rückt damit in weite Ferne. Die entscheidende Frage ist indes, was die bessere Option für die westafrikanischen Staaten ist: Eine größere Währungsunion (mit oder ohne Kopplung an eine Leitwährung) oder souveräne nationale Währungen?
Kako Nubukpo, ein togolesischer Ökonom, der als Kritiker des Franc CFA bekannt geworden ist, betont die systematische Abhängigkeit der Franc-Zone. Er nennt die Beziehung zwischen den CFA-Staaten und Frankreich eine „servitude volontaire“ (freiwillige Knechtschaft). Dieser kritischen Meinung stehen der Ökonom Lionel Zinsou, aber auch der ivorische Präsident und ehemalige Chef der Zentralbank Alassane Ouattara gegenüber. Für die Verteidiger des Franc CFA Systems schaffe die gemeinsame Währung optimale Bedingungen wie Wechselkursstabilität und ziehe Investitionen aus dem Ausland an. Trotz der polarisierten Debatte wird in der aktuellen Krisenkonjunktur deutlich, wie schwierig eine Lösung der wirtschaftspolitischen Probleme ist. Selbst vorher zerstrittene Ökonomen wie Nubukpo und Zinsou betonen nun, dass eine Reform des Franc CFAs nicht die Lösung aller Probleme bedeute.
Jenseits aller wirtschafts- und geldpolitischen Fragen steht der Franc CFA aber vor allem politisch unter Druck. Auf zivilgesellschaftlicher Ebene, insbesondere unter der jungen Bevölkerung, wird der Franc CFA häufig abgelehnt. Im Senegal, wo 1855 mit der Banque du Sénégal eine der ersten französischen Kolonialbanken eröffnet wurde, ist die Kritik an der „neokolonialen“ Währung am Lautesten. Nicht nur France, dégage! fordert ein Ende des Franc CFA. Mittlerweile ist monetäre Souveränität, wie jüngst bei den Parlamentswahlen, zum Wahlkampfthema geworden. Der einflussreiche Oppositionspolitiker Ousmane Sonko greift die populäre Kritik am Franc CFA auf und zeigt mit seinem Wahlerfolg, wie wichtig das Thema in politischer Hinsicht ist.
Doch die Diskrepanz zwischen den innovativen Geldtheoretikern wie Ndongo Samba Sylla, den sozialen Protestbewegungen und der politischen Elite ist groß. Der sozialen Bewegung geht es um mehr als um die Währung allein. Der Franc CFA dient ihr als Aufhänger, um Probleme wie Preiserhöhungen, soziale Ungleichheit oder Kritik an der politischen Elite und den Beziehungen zur „Francafrique“ zu thematisieren. Das hat auch Macron erkannt, der die angekündigte Reform als Antwort auf diese Kritiken verstanden wissen will.
Souveränität ist im aktuellen Reformprozess so wichtig, weil die Staaten der Franc Zone weder wirtschaftlich noch politisch ausreichend Handlungsspielraum haben. Demokratische Partizipation in der Währungspolitik ist stark limitiert. Die periphere Rolle Westafrikas in der internationalen Finanzordnung und die strukturelle Abhängigkeit in der Franc-Zone schränken die geldpolitischen Möglichkeiten der Regierungen stark ein, setzen sie aber auch innenpolitisch unter Druck. Eine Reform des „Zwangskorsetts“, das die Franc-Zone darstellt, erscheint dringend notwendig. Diese ist nicht nur in symbolischer Hinsicht überfällig, sondern auch aus wirtschaftspolitischer Sicht angebracht.
Robin Frisch ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Geschichte Afrikas der Universität Bayreuth. Eine Forschungsgruppe unter der Leitung von Dr. habil. Kai Koddenbrock forscht zur Geschichte und politischen Ökonomie des Franc CFA an der Universität Bayreuth.
Ende vergangenen Jahres haben sich acht westafrikanische Staaten und Frankreich auf eine Währungsreform geeinigt. Der Eco soll am 1. Juli den Franc CFA ersetzen. Evita Schmieg erklärt im Interview, warum die Reform auch dann als Erfolg zu werten ist, wenn alles so bleibt, wie es ist.