Im Vier Fragen-Interview skizziert Dr. Christoph Hoffmann (FDP) Erwartungen an eine strategische Erneuerung des deutschen Engagements auf dem afrikanischen Kontinent. Besonders wichtig seien ein ehrlicher Dialog mit den afrikanischen Partnern und Investitionen in Infrastrukturen.
Megatrends Afrika: Welche aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen machen es nötig, dass Deutschland seine Afrikapolitik neu ausrichtet?
Dr. Christoph Hoffmann: Afrika ist der junge Kontinent, der Zukunft verspricht. Wirtschaftlich benötigen wir neben Asien weitere Regionen, in denen die deutsche Industrie Lieferketten aufbauen kann. Beim Thema Energieversorgung mit grünem Strom und Wasserstoff sind Partnerschaften mit afrikanischen Ländern ökonomisch und ökologisch zwingend. Mit wirtschaftlicher Entwicklung durch freie Märkte und Handelsabkommen gelingt die Schaffung von Arbeitsplätzen. Industrialisierung, Modernisierung und Intensivierung der Landwirtschaft kann die Spirale der Armut in vielen Ländern Afrikas durchbrechen.
Gleichzeitig ist das stark gestiegene wirtschaftliche Engagement Chinas und das politisch-militärische Engagement Russlands in Afrika zu beobachten. Peking erzielt wirtschaftliche Gewinne auf Kosten afrikanischer Länder. Es extrahiert Bodenschätze, die in China weiterverarbeitet werden, und drängt Ländern kreditfinanzierte Infrastrukturprojekte auf, die ihre Verschuldungssituation bewusst verschlimmern. Russland buhlt um politischen Einfluss und versucht Europa und Afrika zu spalten –und das leider erfolgreich, wie Mali oder Burkina Faso zeigen. Hier sind die Bundesregierung und die Europäische Union (EU) gefordert. Sie müssen afrikanischen Partnern eine wertebasierte und spürbar bessere Alternative anbieten. Daran fehlt es zu oft.
MTA: Wie sollte die deutsche Afrikapolitik neugestaltet werden, um die Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten zu verbessern und die nachhaltige Entwicklung in Afrika zu fördern?
CH: Wir benötigen eine wirkliche Partnerzentrierung und müssen auf die Wünsche und Bedürfnisse unserer Partner hören. Eine Kooperation mit erhobenem Zeigefinger, in der Deutschland vorschreibt, was gute und was schlechte Entwicklung ist, bringt uns nicht weiter. Das bedeutet konkret: Unterstützung in der Industrialisierung der afrikanischen Wirtschaft. Hilfe beim Aufbau von Energienetzen und nachhaltiger Energieversorgung. Aber auch Beistand bei der Erschließung neuer Energiequellen, wenn die Regierungen diese zur Entwicklung ihrer Länder benötigen.
Mit der Global Gateway Initiative existiert bereits ein Pendant zu chinesischen Infrastrukturkrediten. Doch die Umsetzung muss einfacher, schneller und unbürokratischer werden. Politisch muss noch mehr passieren: Wir brauchen eine „positive Propaganda“ über den Wert von Demokratie und Selbstbestimmung. Wir müssen die Sorgen und Wünsche ernstnehmen, die an uns als Partner gerichtet werden. Und wir müssen Entwicklungszusammenarbeit und Außenwirtschaft stärker verzahnen, denn afrikanische Länder wollen keine Almosen, sondern Investitionen!
MTA: Wie wollen Sie sicherstellen, dass die deutsche Afrikapolitik sowohl die eigenen Interessen als auch die Bedürfnisse und Prioritäten der afrikanischen Staaten und Gesellschaften berücksichtigt?
CH: Das geht nur im Dialog und mit ganz viel Ehrlichkeit. Deutschland muss seine Interessen eindeutig formulieren – so, wie es unsere afrikanischen Partner seit langem tun. Bislang haben wir ihnen aber nicht richtig zugehört und dachten, wir wüssten besser, was diese Länder brauchen. Eine Politik des erhobenen Zeigefingers ist neokolonial und verkennt, dass wir Afrika mehr brauchen als umgekehrt!
Anschließend müssen wir schauen, wie die jeweiligen Interessen zusammengebracht werden können. Es ist ganz klar, dass wir nicht auf Kosten der Bevölkerung oder der natürlichen Ressourcen unserer Partnerländer agieren können. Das ist aber auch nicht nötig. Beispiel Erneuerbare Energie: Die riesigen Potentiale bei Photovoltaik, bei Wind- und Wasserkraft reichen sowohl für die heimische Bevölkerung als auch für den Export. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit kann einen Beitrag zum Aufbau von Energienetzen leisten, der überschüssige Strom wird exportiert oder fließt in die Erzeugung von Wasserstoff.
MTA: Welche blinden Flecken nehmen Sie in der deutschen Afrikapolitik wahr, die Sie gerne stärker auf die politische Agenda setzen würden?
CH: Ich möchte hier zwei Punkte nennen. Erstens, der Aufbau einer lokalen Wirtschaft und von Wertschöpfungsketten bleibt unterbeleuchtet. Dabei sind die Forderungen vieler afrikanischer Partner eindeutig: Wir wollen Investitionen, wir wollen Arbeitsplätze und die Möglichkeit, unsere Rohstoffe zu veredeln und erst dann zu exportieren.
Das schafft die Entwicklungszusammenarbeit aber nicht alleine. Dafür benötigen wir einen Ausbau der Investitions- und Exportgarantien aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) heraus. Wir benötigen mehr Mut – auch in der Finanzierung von Projekten oder von neuen Standorten. Ein Mentalitätswandel hin zu mehr Risikoorientiertheit ist dabei ganz wichtig.
Zweitens muss auch die personelle Situation in unseren Botschaften stärker thematisiert werden. Angestellte, Techniker und auch Studenten müssen zeitnah reisen können, um Wissenstransfer und Fachkräfteeinwanderung zu ermöglichen. Ein wichtiger Schritt wäre die Digitalisierung des gesamten Verfahrens in einer Linie, von der Botschaft bis hin zur deutschen Kommune – mit direktem Zugriff auf alle benötigten Dokumente. Es kann nicht sein, dass Visaverfahren mehrere Monate dauern, weil Originaldokumente per Post hin- und hergeschickt werden.
Dr. Christoph Hoffmann (FDP) ist Mitglied des Deutschen Bundestages und amtierender Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Dieses schriftliche Interview wurde im August 2023 geführt und ist Teil unserer Mini-Serie „Vier Fragen“, in denen wir Abgeordnete nach ihren Prioritäten für die neuen Afrikapolitischen Leitlinien fragen.
Im Vier-Fragen-Interview mit Megatrends Afrika unterstreicht Dr. Karamba Diaby (SPD) die Notwendigkeit sich den afrikanischen Partnern stärker zuzuwenden und ihnen aktiv zuzuhören. Er mahnt, die Interessen der 54 Staaten differenziert zu betrachten und nicht mehr von dem „einen Afrika“ zu sprechen.