Der diesjährige AU-EU-Gipfel war von dem Wunsch getrieben, eine Partnerschaft auf Augenhöhe zu signalisieren. Dafür bedarf es neben konkreten Zusagen vor allem eine strategische Ausrichtung der Partnerschaft, mehr Kohärenz zwischen verschiedenen Politikbereichen und eine stärkere und gleichberechtigte Beteiligung aller Partner.
Nach wiederholten Aufschüben und zweijähriger Planung - offiziell hauptsächlich bedingt durch die Covid-19-Pandemie, aber auch ein Zeichen schwieriger Beziehungen – fand der AU-EU-Gipfel im Februar in Brüssel statt. Mehr als vier Jahre waren seit dem letzten Gipfeltreffen in Abidjan vergangen. Der Gipfel brachte unter der Schirmherrschaft von Ratspräsident Charles Michel und dem Präsidenten Senegals und AU-Vorsitzenden Macky Sall die Regierungsverantwortlichen der 27 EU Mitgliedstaaten sowie 40 ihrer afrikanischen Amtskolleg*innen zusammen.
Überschattet von der andauernden Covid-19-Pandemie sowie der sich anbahnenden Ukrainekrise, die wenige Tage später in der russischen Invasion mündete, sollte der Gipfel dabei helfen, den vielfach beschworenen Neustart der Partnerschaft zu realisieren. Wie Europa einen solchen versteht, lässt sich unter anderem im Koalitionsvertrag der neuen deutschen Bundesregierung nachlesen. Dort wird „eine enge Partnerschaft auf allen Ebenen […], bilateral und im Rahmen einer kohärenten EU-Afrika-Strategie“ eingefordert. Auf ähnliche Weise riefen der Europäische Rat und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, bereits 2019 dazu auf, eine „umfassende Partnerschaft mit Afrika“ zu entwickeln.
Die meisten Expert*innen zeigten sich derartigen Ankündigungen gegenüber skeptisch und sprachen im Vorfeld des Gipfels von geringen Erwartungen an das diesjährige Treffen. Angesichts dieser Prognosen kann es als Erfolg gewertet werden, dass der Gipfel überhaupt stattfand.
Zweifelsohne muss die Partnerschaft zwischen den beiden Regionen vor allem in der Praxis und jenseits der Gipfel gelebt werden. Gipfeltreffen sind in diesem Zusammenhang vielmehr als rekurrierende Wegweiser und Temperaturfühler anzusehen. Zum Teil stark divergierende Positionen zwischen europäischen und afrikanischen Repräsentant*innen in Bezug auf Migration, die mögliche Freigabe von Impfstoffpatenten und das Ringen um die Reallokation von IWF-Sonderziehungsrechten führten immer wieder zu Spannungen zwischen den Partnern. Die weiterhin schlechte Sicherheitssituation im Sahel und insbesondere der Disput zwischen Mali und Frankreich stellten den Gipfel in kein gutes Licht.
Angesichts dieser Ausgangssituation lässt sich dem nun kürzlich zu Ende gegangenen Gipfel und dessen Abschlusserklärung durchaus einiges Positives abgewinnen und ein zumindest gemischtes Resümee ziehen.
Der Wunsch, die langjährige Partnerschaft in ein anderes Licht zu rücken, machte sich während des Gipfels sowohl im Format als auch im Inhalt bemerkbar. Die EU insistierte auf ein schlankes Abschluss-Kommuniqué, welches konkrete Maßnahmen hervorhebt und einen Schwerpunkt auf zu tätigende Investitionen legt. Auch nahm man Abstand von eher starren Plenardebatten. Stattdessen fand man sich an thematischen runden Tischen wieder, um so einen intensiven Austausch zwischen den anwesenden afrikanischen und europäischen Regierungsvertreter*innen zu ermöglichen.
Im Mittelpunkt des Kommuniqués steht das 150 Milliarden Euro schwere „Africa Investment Package“, das Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits am 10. Februar im Senegal vorgestellt hatte. Dieses Investitionspaket ist Teil des gegenwärtig viel diskutierten EU-Investitionsprogramms „Global Gateway“, welches öffentliche und private Investitionen für materielle und immaterielle Infrastruktur mobilisieren soll.
Kritische Stimmen ließen nicht auf sich warten. Noch auf der Pressekonferenz zweifelten Beobachter die versprochenen Investitionen und die damit verbundenen Hebelwirkungen an, nicht zuletzt mit Verweis auf frühere Investitionspakete, deren Wirkungen bis heute nicht nachgewiesen sind. Die Einhaltung dieser Zusage wird entscheidend sein, um frühere Kritiken zu entkräften, wonach bisherige AU-EU-Gipfel vor allem zu unerfüllten Versprechen geführt haben sollen.
Neben konkreten finanziellen Zusagen dient der Gipfel jedoch auch stets der Definition, Anpassung und etwaigen Neuausrichtung der Beziehungen. Die AU und EU sind eng miteinander verbunden; sowohl historisch als auch geographisch und kulturell. In diesem Zusammenhang gilt es vor allem der Forderung nach einer gleichberechtigten Partnerschaft Achtung zu zollen und ein gemeinsames Verständnis eben dieser Gleichberechtigung hervorzubringen. Sowohl in den Eröffnungserklärungen des Gipfels als auch in zahlreichen individuellen Stellungnahmen war dieser Wunsch nach Gleichberechtigung deutlich und wiederholt vernehmbar.
Auch wenn auf beiden Seiten des Mittelmeers Einigkeit in Bezug auf die Notwendigkeit einer Partnerschaft auf Augenhöhe besteht, spiegelt sich dies bislang nur unzureichend in der Praxis wider. Gründe dafür sind zum einen die verschiedenen sich überlappenden Rahmenwerke und Vereinbarungen zwischen der EU beziehungsweise ihren Mitgliedsstaaten und Afrika. Außerdem haben sich mit der eigenen Entwicklung der EU einige Pfadabhängigkeiten ergeben.
Die Zusammenarbeit mit Sub-Sahara-Afrika ist entlang der post-kolonialen Beziehungen mit den AKP-Staaten (Organisation Afrikanischer, Karibischer und Pazifischer Staaten) strukturiert und institutionalisiert. Die Beziehungen zu nordafrikanischen Staaten beruhen hingegen meist auf bilateralen Verträgen.
Weiterhin hat die EU Handelsabkommen mit individuellen Staaten und Staatengruppen abgeschlossen, regionale Strategien verabschiedet sowie strategische Partnerschaften mit Staaten wie Nigeria und Südafrika angebahnt. Einzelne EU-Staaten, beispielsweise Deutschland, verfolgen währenddessen ihre eigenen Strategien und Initiativen. Diese institutionelle Fragmentierung ist ein wichtiger Faktor, der die Kohärenz der EU-Afrika-Politik unterwandert.
Dass ein Wille zur Erneuerung besteht, hat der jüngste Gipfel deutlich gemacht. Absichtserklärungen alleine genügen jedoch nicht, um das Fundament der europäisch-afrikanischen Beziehungen neu zu kalibrieren. Hierzu bedarf es drei weiterer grundsätzlicher Änderungen gängiger Praktiken.
Zunächst muss man sich der Grenzen einer Partnerschaft zwischen zwei regionalen Kooperationsprojekten bewusst sein. Der EU ist es nicht möglich, kurzfristig und flexibel neue Mittel und Initiativen bereitzustellen – im Gegensatz zu mächtigen Nationalstaaten, die sich ebenfalls um bevorzugte Partnerschaften mit Afrika bemühen und Teil eines geopolitischen Gesamtgefüges darstellen. Die eigenen Finanzvorschriften und der von den Mitgliedstaaten festgelegte langfristige Haushalt binden die Union. In diesem Sinne kann und sollte sich die Afrika-EU-Partnerschaft nicht vorrangig im Wettbewerb mit anderen Mächten verstehen. Sie zieht ihre Stärke aus dem &bqquo;sui generis“-Charakter der Beziehungen, welche es ihr erlaubt, komplementär zu anderen Akteuren zu bestehen.
Zweitens sollte die EU bei ihren zahlreichen Engagements in Afrika auf politische Kohärenz achten. Konkrete Kooperationsinitiativen stehen jedoch nicht immer im Einklang mit der kontinentalen Partnerschaft und ihrer übergreifenden Vision: Die EU fordert eine gleichberechtigte Partnerschaft mit Afrika; ihre migrations- und investitionsorientierten Initiativen zur Entwicklungszusammenarbeit in den Jahren 2015 und 2016 waren jedoch mehrheitlich einseitige europäische Initiativen. Die EU unterstützt zwar die entstehende kontinentale Freihandelszone Afrikas, führt aber auch weiterhin Gespräche mit regionalen Staatengruppen zur Vertiefung bestehender Handelsabkommen. Die einstige Unterstützung der Friedensfazilität für Afrika wurde nun in eine europäische Friedensfazilität umgewandelt, die den afrikanischen Staaten weniger direktes Mitspracherecht einräumt.
Drittens und letztens sollten die EU und Afrika so explizit wie möglich formulieren, in welchen Bereichen sie zusammenarbeiten möchten. Lange Listen und unzureichend spezifizierte Maßnahmen garantieren allzu oft unnötige Enttäuschungen. Die wiederholte Versicherung beteiligter Akteure, vereinbarte Ziele systematisch überprüfen zu wollen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Diese stetige Evaluierung sollte transparent und nachvollziehbar sein – damit beim nächsten Gipfel ein weiterer Neustart vermieden werden kann.
Dr. Benedikt Erforth ist Projektleiter bei Megatrends Afrika und Wissenschaftler am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).
Dr. Niels Keijzer ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).